Eine Erkrankung kann Ihr Leben und das Ihrer Familie aus den gewohnten Bahnen werfen. Neben den gesundheitlichen Beschwerden füllt sich Ihr Alltag mit Arztterminen und administrativem Aufwand.
Wenn Sie in einem Arbeitsverhältnis stehen, wird Ihr Arbeitgeber für eine gewisse Zeit den Lohn weiterhin bezahlen, also eine Lohnfortzahlung leisten. Auch gilt in dieser ersten Zeit ein Kündigungsschutz. Viele Arbeitgeber haben eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, die im Krankheitsfall ein Taggeld ausrichtet. Bleiben Sie langfristig arbeitsunfähig, können gegebenenfalls die Invalidenversicherung, Ihre berufliche Vorsorgeeinrichtung oder eine private Versicherung Leistungen erbringen.
In folgenden Kapiteln beantworten wir Fragen zur Herausforderung Krankheit und Arbeitsunfähigkeit. Benötigen Sie Unterstützung? Melden Sie sich bei uns. Wir begleiten Sie, wenn Sie Ihre Krankheit auch rechtlich belastet.
Häufig werden Krankentaggeldversicherungen von Arbeitgebenden abgeschlossen. Werden Sie krank, so erhalten Sie Ihren Lohn während einer bestimmten Dauer auch weiterhin (Lohnfortzahlungspflicht). Wenn Ihr Arbeitgeber eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat, erhalten Sie während Ihrer Krankheit mindestens 80 Prozent Ihres Bruttolohns. Die meisten Krankentaggeldversicherungen bezahlen während maximal 730 Tagen, wobei davon die Wartefrist abzuziehen ist. Diese beträgt häufig 30, manchmal 60 Tage. Gewisse Gesamtarbeitsverträge (GAV) sehen hierzu besondere Bestimmungen vor. Die Prämien der Krankentaggeldversicherung darf der Arbeitgeber zur Hälfte Ihnen belasten. Bis die Versicherung die Taggeldzahlungen aufnimmt, muss der Arbeitgeber den Lohn weiterhin im vollen Umfang bezahlen. Sobald die Krankentaggeldversicherung übernimmt, endet die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers. Eine Lohnfortzahlungsanspruch besteht dann nicht mehr, selbst wenn die Krankentaggeldversicherung die Zahlungen einstellt. Sind Sie aus einem neuen, anderen Grund wiederum arbeitsfähig, beginnt die Lohnfortzahlungspflicht während der Wartefrist bei der Krankentaggeldversicherung von neuem.
Möglicherweise werden Sie von der Krankentaggeldversicherung dazu aufgefordert, sich bei einem Vertrauensarzt oder einer Vertrauensärztin untersuchen zu lassen. Dies wird spätestens dann der Fall sein, wenn das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Sperrfrist gekündigt wurde. Oftmals weichen die Einschätzungen der Vertrauensärzt:innen von denjenigen der behandelnden Ärzt:innen ab. Häufig wird in solchen vertrauensärztlichen Untersuchungen auch eine zukünftige Arbeitsfähigkeit attestiert, also beispielsweise "Arbeitsfähigkeit steigerbar im Verlauf der kommenden drei Monate auf 100%". In solchen Fällen lohnt es sich, eine ausführliche Stellungnahme der behandelnden fachärztlichen Person einzuholen, die sich mit der abweichenden Meinung des Vertrauensarztes oder der Vertrauensärztin auseinandersetzt und nachvollziehbar begründet, weshalb die Einschätzung der von der Versicherung engagierten vertrauensärztlichen Fachperson nicht zutrifft.
Wenn die Krankentaggeldversicherung ihre Leistungen endgültig verweigert, muss die Forderung vor Gericht durchgesetzt werden. Sie sind damit in der Rolle der klagenden Partei und müssen alle Tatsachen, die Ihren Anspruch begründen, mit Beweisen (z.B. medizinische Berichte) belegen. Das Verfahren ist kostenlos. Wenn das Ausmass Ihrer Arbeitsunfähigkeit strittig ist, können Sie im gerichtlichen Verfahren beantragen, dass ein Gerichtsgutachten zum Ausmass der Arbeitsunfähigkeit eingeholt werden soll.
Die Arbeitsunfähigkeit belegen Sie mit medizinischen Berichten und Zeugnissen. Ihre behandelnden Ärzt:innen werden Sie möglicherweise zu Beginn für ein paar Wochen oder bis zur nächsten Konsultation krankschreiben. Wenn es sich um eine spezifische Erkrankung handelt, beispielsweise ein neurologisches oder ein psychiatrisches Leiden, müssen Sie auch eine Fachärztin oder einen Facharzt konsultieren. Häufig sind in diesem Fall hausärztliche Atteste nicht mehr ausreichend, um das Ausmass der Arbeitsunfähigkeit zu begründen.
Tipp: Instruieren Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt über den nötigen Inhalt des Zeugnisses. So stellen Sie sicher, dass Sie sowohl für Ihren Arbeitgeber als auch für die involvierten Versicherungen ein taugliches Arztzeugnis haben.
Entscheidend ist, dass Sie sich durch eine auf Ihre Erkrankung spezialisierte ärztliche Fachperson regelmässig in kurzen Abständen betreuen lassen. Die Fachperson aktualisiert das ärztliche Attest (Arbeitsunfähigkeitszeugnis), nimmt die Befunde im zeitlichen Verlauf auf und kann im Prozess als Zeugin für Sie aussagen. Mit den Berichten der ärztlichen Fachperson schaffen Sie wichtige Beweismittel zu Ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung und dem Verlauf des Heilungsprozesses. Der Bericht oder das Zeugnis hält idealerweise fest:
Wenn es sich nicht nur um ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis, sondern um einen die Arbeitsunfähigkeit begründenden Bericht handelt, so muss die Arztperson die klinischen Befunde dokumentieren (Beschreibung der krankheitswertigen Symptome) und nachvollziehbar begründen, weshalb aufgrund dieser Befunde auf eine Arbeitsunfähigkeit zu schliessen ist. Im späteren Verlauf wird auch die Invalidenversicherung solche detaillierten Berichte von Ihren behandelnden Ärzt:innen anfordern.
Wenn Sie längerfristig krank sind, melden Sie sich vor Ablauf von sechs Monaten bei der Invalidenversicherung an, um keine Ansprüche zu verlieren. Möglicherweise fordert Sie die involvierte Krankentaggeldversicherung zur Anmeldung auf. Die IV sollten Sie auch dann informieren, wenn Sie noch nicht arbeitsunfähig sind, Ihr Arbeitsplatz aber dennoch wegen Ihres Gesundheitszustands gefährdet ist. Hier handelt es sich um die sogenannte Früherfassung.
Bei der Invalidenversicherung gilt der Grundsatz «Eingliederung vor Rente». Deshalb überprüft diese zunächst, ob Sie im Rahmen beruflicher Massnahmen im Arbeitsleben bleiben oder nötigenfalls wiedereingegliedert werden können.
Die Invalidenversicherung hat eine vielfältige Leistungspallette. Allgemein bekannt sind die Rente und die Unterstützung bei der Eingliederung, zum Beispiel mittels Umschulung. Die Invalidenversicherung vergütet aber auch Hilfsmittel, wie zum Beispiel Rollstuhl oder orthopädische Schuhe, oder bauliche Massnahmen, die für ein selbstbestimmtes Wohnen erforderlich sind. Darüber hinaus gibt es die Hilflosenentschädigung für Personen, die in ihrer alltäglichen Lebensführung beeinträchtigt sind und Unterstützung benötigen.
Auch die Pensionskassen können Invalidenrenten ausrichten. Die konkreten Leistungen sind individuell, im jeweiligen Vorsorgereglement, geregelt. Weitere Versicherungen, wie Invaliditäts-, Erwerbsunfähigkeit- oder Lebensversicherungen, können ebenfalls Leistungen vorsehen.
Der Invalidenversicherung steht ein interner medizinischer Dienst zur Seite, der Regionale Ärztliche Dienst oder RAD. Dieser überprüft die ärztlichen Atteste der behandelnden Ärzt:innen, die Erforderlichkeit von Heilbehandlungsmassnahmen und erlässt Empfehlungen an die fallführende Person der Invalidenversicherung. Bei längerdauernder Arbeitsunfähigkeit kann die Invalidenversicherung zu einer ärztlichen Untersuchung durch einen Arzt oder eine Ärztin des RAD einladen. Hier haben Sie eine gesetzliche Mitwirkungspflicht. Diese verpflichtet Sie, an Abklärungsmassnahmen teilzunehmen, solange diese medizinisch zumutbar sind. Grundsätzlich müssen sie sich nicht vom RAD untersuchen lassen, es kann aber negative Folgen haben, wenn Sie die Untersuchung verweigern. Falls der Sachverhalt nicht auf andere Weise abgeklärt werden kann, wird die Versicherung die Leistungen einstellen. Bei komplexen Gesundheitsschädigungen wird die Invalidenversicherung den Sachverhalt auch von einer externen Gutachterstelle abklären lassen. Im Gutachten wird zu den krankheitsrelevanten Befunden und der Diagnose, zur Arbeitsfähigkeit in der angestammten oder einer angepassten Tätigkeit sowie zum Erfordernis nach Heilbehandlung Stellung genommen. Auch hier gilt, dass die Versicherung die Leistungen einstellen kann, wenn der Sachverhalt nicht anderweitig abgeklärt werden kann und Sie die Begutachtung verweigern. In der Regel ist eine externe Begutachtung zu begrüssen und es empfiehlt sich, sich untersuchen zu lassen. Damit kommen Sie Ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflicht nach.
Die Sozialversicherungen, zum Beispiel die Invalidenversicherung, sind von Gesetzes wegen verpflichtet, den Sachverhalt so weit abzuklären, dass sie über die Leistungen – Rente, Hilflosenentschädigung, Eingliederungsmassnahmen etc. – entscheiden können. Gegenstück dieser Abklärungspflicht bildet Ihre Mitwirkungspflicht. Die Versicherung kann Auskünfte von Ärzt:innen, Arbeitgeber:innen oder anderen Versicherungen nur einholen, wenn Sie Ihre Zustimmung nicht verweigern. Sie sind jedoch von Gesetzes wegen verpflichtet, diese Zustimmung zu erteilen. Die Invalidenversicherung kann die Leistungen verweigern, falls der Sachverhalt sich nicht auf andere Weise abklären lässt. Sie sind auch verpflichtet, an Abklärungen der Invalidenversicherung, beispielsweise berufliche Abklärungsmassnahmen, ärztliche Untersuchungen oder Bluttests etc., teilzunehmen resp. diese zuzulassen. Ähnliche Regelungen haben auch die Krankentaggeldversicherungen in ihren allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) aufgestellt.
Mit dem Vorbescheid erfahren Sie, welche Leistungen die Invalidenversicherung zuspricht und welche sie ablehnt. Die Invalidenversicherung gewährt Ihnen damit das rechtliche Gehör. Als versicherte Person erhalten Sie die Gelegenheit, innerhalb von 30 Tagen zum Vorhaben der Invalidenversicherung Stellung zu nehmen. Die Invalidenversicherung prüft Ihre Einwände. Sie kann den Sachverhalt weiter abklären und neu entscheiden oder am Vorbescheid festhalten. Nach abgeschlossenem Vorbescheid-Verfahren erlässt die Invalidenversicherung eine Verfügung. Dabei handelt es sich um den eigentlichen Entscheid der Invalidenversicherung über Ihre Leistungsansprüche. Gegen die Verfügung können Sie bis spätestens 30 Tage nach deren Erhalt beim kantonalen Versicherungsgericht Beschwerde erheben.
In Ihrem Einwand müssen Sie zum Entscheid der IV Stellung nehmen und erläutern, aus welchen Gründen Sie nicht damit einverstanden sind. Prüfen Sie, ob die Invalidenversicherung sämtliche Berichte Ihrer Ärzt:innen hat, und reichen Sie diese nötigenfalls nach. Falls Sie mit dem Entscheid nicht einverstanden sind, empfehlen wir Ihnen, sich umgehend an einen Anwalt oder eine Anwältin oder eine Rechtsberatungsstelle zu wenden. Dies gilt insbesondere dann, wenn bereits ein Gutachten vorliegt. Dieses muss juristisch und medizinisch geprüft werden und erfordert eine fundierte kritische Auseinandersetzung.
Die Invalidenversicherung teilt Ihnen mit einem Schreiben mit, dass sie eine Begutachtung für erforderlich hält und gibt Ihnen die Namen der begutachtenden Personen bekannt. Die Auswahl des Gutachters oder der Gutachterin erfolgt bei monodisziplinären Gutachten – Gutachten in einer ärztlichen Fachdisziplin – im Einvernehmen mit der Invalidenversicherung. Sie können der Versicherung selbst Gutachter:innen vorschlagen, meist allerdings nur aus einer von der IV erstellten Liste. Erfordert das Gutachten mehr als zwei Fachdisziplinen – bidisziplinäres oder polydisziplinäres Gutachten –, wird der Auftrag mittels Zufallsprinzip an ein Begutachtungsinstitut (MEDAS, medizinische Abklärungsstelle) zugewiesen.
Mittlerweile werden die Begutachtungen mit Tonaufnahmen dokumentiert. Dies dient der besseren Nachvollziehbarkeit des Begutachtungsprozesses. Die IV-Stelle wird Sie im Vorfeld der Begutachtung danach fragen, ob Sie auf diese Tonaufnahme verzichten möchten. Wir raten Ihnen, nicht darauf zu verzichten, ansonsten ein wichtiges Beweismittel verloren geht.
Im Anschluss an die Begutachtung muss Ihnen die Invalidenversicherung die Gelegenheit geben, zum Gutachten Stellung zu nehmen und Ergänzungsfragen oder Erläuterungsfragen einzureichen. Nutzen Sie diese Gelegenheit; das Gutachten ist das zentrale Beweismittel im Verfahren der Invalidenversicherung. Wir raten Ihnen, bei Vorliegen des Gutachtens umgehend Kontakt mit einem Anwalt oder einer Anwältin oder einer Rechtsberatungsstelle aufzunehmen, falls Sie mit dem Gutachten nicht einverstanden sind.
Gehen Sie vorbereitet in die Begutachtung, damit Sie im Gespräch auch über sämtliche Beschwerden berichten können. Gehen Sie die Entwicklung nach dem Krankheitsbeginn nochmals im Detail durch. Schildern Sie Ihre Leiden ausführlich und differenziert. Der Gutachter oder die Gutachterin wird Sie auch zu Ihrem Alltag befragen, beispielsweise zum Tagesablauf oder zu Ihren Freizeitbeschäftigungen. Zeigen Sie die Situation vor und nach der Erkrankung auf. Je ausführlicher Sie Ihre Situation umschreiben, desto besser kann sich die begutachtende Person ein Bild von Ihnen und den Auswirkungen der Krankheit auf Ihr Leben machen. Bleiben Sie authentisch. Vermeiden Sie Übertreibungen – in der Fachsprache Aggravation genannt – oder Untertreibungen. Lassen Sie sich nicht provozieren. Es ist die Aufgabe des Gutachters oder der Gutachterin, Sie aus Ihrer Komfortzone herauszuholen. Dies ist notwendig, um sich ein objektives Bild von Ihnen und Ihren Beschwerden machen zu können. Machen Sie mit, seien Sie engagiert.
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