Text: Aurelia Jenny
Bild: Adobe Stock
Datum: 01.01.2024
Am 1.1.2024 tritt die revidierte StPO in Kraft. Nebst einigen Neuerungen, insbesondere zum Siegelungsverfahren und den Haftgründen, wurde auch der Adhäsionsprozess neu geregelt. Hier gibt es Neuerungen im Strafbefehlsverfahren, zur Konstituierung als Zivilkläger:in und zur Bezifferung der Zivilforderung.
Bis anhin wurden anerkannte Zivilforderungen im Strafbefehl vorgemerkt und nicht anerkannte Forderungen auf den Zivilweg verwiesen. Gemäss neuer Fassung von Art. 353 Abs. 2 StPO kann die Staatsanwaltschaft nun im Strafbefehlsverfahren über Zivilforderungen entscheiden, sofern dies ohne weitere Beweiserhebungen möglich ist und der Streitwert bei maximal Fr. 30’000.- liegt. Der Streitwert bestimmt sich nach dem Hauptbegehren, ohne Zinsen, Kosten oder Eventualbegehren. Bei Anerkennung der Forderung gilt selbstredend keine Streitwertgrenze.
Bei der Beweiserhebung im Zusammenhang mit Zivilklagen bestimmt Art. 313 Abs. 1 StPO, dass die Staatsanwaltschaft die zur Beurteilung der Zivilklage erforderlichen Beweise erhebt, sofern das Verfahren dadurch nicht wesentlich erweitert oder verzögert wird. Gemäss Botschaft zur Revision basiert die Zivilforderung auf tatsächlich ausreichend geklärten Verhältnissen, wenn ihre Beurteilung ohne besondere Umstände möglich ist (BBl 2019 6697, S. 6762). Spruchreif ist ein Sachverhalt, wenn aufgrund der im bisherigen Verfahren gesammelten Beweise ohne Weiterungen über den Zivilanspruch entschieden werden kann, er mithin ausgewiesen ist (Urteil des Bundesgerichts 6B_124/2018 vom 23.11.2018 E. 3.1). Damit eröffnet sich nun die Möglichkeit für Opfervertreter:innen, bereits bei der Staatsanwaltschaft einen Entscheid hinsichtlich (eines Teils) der Zivilforderung zu erwirken.
Hinsichtlich der Konstituierung als Zivilkläger:in im Strafprozess gilt auch weiterhin, dass dies bis spätestens zum Abschluss des Vorverfahrens zu geschehen hat (Art. 118 Abs. 3 StPO). Neu soll die Staatsanwaltschaft beim Verfahrensabschluss (durch Strafbefehl, Einstellung oder Anklageerhebung) den geschädigten Personen mit bekanntem Wohnsitz, die noch nicht über ihre Rechte informiert wurden, schriftlich den Abschluss mitteilen und ihnen eine Frist ansetzen, innerhalb welcher sie sich als Privatklägerschaft konstituieren und Beweisanträge stellen können (Art. 318 Abs. 1bis StPO).
Bis anhin war die Zivilforderung spätestens im Parteivortrag, also in der Hauptverhandlung, zu beziffern und zu begründen. Gemäss der ab 1.1.2024 geltenden Fassung von Art. 123 Abs. 2 nStPO haben Bezifferung und Begründung innert der von der Verfahrensleistung gesetzten Frist i.S.v. Art. 331 Abs. 2 StPO zu erfolgen. Dieser Artikel beinhaltet die Ansetzung der Hauptverhandlung. Auch dieser Artikel wird insoweit ergänzt, als die Verfahrensleistung bei Ansetzen der Hauptverhandlung nun nicht nur die Frist für Beweisanträge ansetzt, sondern auch der Privatklägerschaft die gleiche Frist zur Bezifferung und Begründung der Zivilklage einräumt (Art. 331 Abs. 2 zweiter Satz nStPO).
Der Adhäsionsprozess spielt in der aktuellen Praxis bis anhin eine unbedeutende Rolle. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Einführung der Streitwertgrenze im Strafbefehlsverfahren die Staatsanwaltschaften gewillt sind, über vergleichsweise tiefe Forderungen direkt zu befinden, um den Betroffenen einen zweiten Prozess zu ersparen. Aufgrund der neuen gesetzlichen Formulierung muss der Sachverhalt hinsichtlich der Zivilforderung aber ohne zusätzliche Beweiserhebungen erstellt sein, was wohl selten zutreffen dürfte bzw. wird es Sache der Opfervertreter:innen sein, um die Beibringung von entsprechenden Beweisen im Verfahren vor der Staatsanwaltschaft besorgt zu sein.
Text: Aurelia Jenny
Bild: Adobe Stock
Datum: 01.01.2024
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