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Text: Aurelia Jenny
Bild: Adobe Stock
Datum: 01.01.2024

Es lebe der leidensbedingte Abzug!

Kurz nach der letztmaligen Änderung der IVV im Januar 2022 wurde im April 2022 die Motion 22.3377 «Invaliditätskonforme Tabellenlöhne bei der Berechnung des IV-Grads» eingereicht. In Erfüllung derselben beschloss der Bundesrat, die IVV erneut anzupassen.

Im Rahmen der Vernehmlassung wurde auf die bereits bekannte Studie BASS (Büro BASS, Nutzung Tabellenmedianlöhne LSE zur Bestimmung der Vergleichslöhne bei der IV-Rentenbemessung, Januar 2021, abrufbar hier) verwiesen und von einer deutlichen Mehrzahl die Anwendung eines (höheren) Pauschalabzugs beim Beizug von Tabellenlöhnen gefordert. Weiter wurde postuliert, dass neben dem Pauschalabzug auch weitere individuelle Faktoren (tiefe Löhne in gewissen Branchen bzw. Regionen, übermässige gesundheitliche Einschränkungen bzw. Schwankungen bei bestimmten Krankheiten, Alter, Ausbildungsniveau, Branchenerfahrung und Wirtschaftszweig, Nationalität und Aufenthaltskategorie, Dienstjahre) durch zusätzliche Abzüge berücksichtigt werden sollten. Dabei solle der Abzug wie bis anhin gesamthaft maximal 25 Prozent betragen (Ergebnisbericht der Vernehmlassung von Oktober 2023, S. 4; abrufbar hier).

Der Bundesrat schlägt nun am 1.1.2024 jedoch einen anderen Weg ein. Zwar beruft er sich auf das Bundesgericht und dessen BGE 148 V 174, sieht die überragende Bedeutung des leidensbedingten Abzugs «im früheren System der Invaliditätsgradbemessung» aber als beendet. Massgebend seien nun die Beurteilung der funktionellen Leistungsfähigkeit (im Rahmen der medizinischen Untersuchung) und der Teilzeitabzug (Art. 54a Abs. 3 IVG, Art. 26bis Abs. 3 IVV). Offensichtlich können aber Merkmale wie Dienstalter, Nationalität oder Aufenthaltskategorie, die früher bei der Gewährung eines leidensbedingten Abzugs relevant waren, nicht im Rahmen der medizinischen Beurteilung zur funktionellen Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden.

In einem bemerkenswerten Urteil hat das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt dieser Verordnungsbestimmung (in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung) die Anwendung versagt. Der gesetzliche Delegationsrahmen werde unzulässigerweise nicht ausgefüllt (Urteil vom 31.8.2023; Verfahren IV.2022.120). Die Bundesgerichtsbeschwerde hiergegen ist hängig. Es ist im neuen Jahr folglich mit einem weiteren wegweisenden Entscheid in dieser Sache zu rechnen.

Ab 2024 gilt nun Folgendes: Wird das Invalideneinkommen mittels Tabellenlöhnen festgesetzt, so wird vom davon ermittelten Lohn ein Pauschalabzug von 10% gewährt. Kann die betroffene Person nur noch in einem Pensum von 50% oder weniger arbeiten, werden 20% abgezogen. Diese Regelung ist auf alle Rentenzusprachen ab Januar 2024 anwendbar. Beginnt der Rentenanspruch bereits vor 2024 und geht über den 1.1.2024 hinaus, so wird der Einkommensvergleich ab diesem Datum neu mit Pauschalabzug vorgenommen.

Die IV-Stellen müssen überdies laufende Renten, die vor dem 1.1.2024 entstanden sind, vor dem 1.1.2027 einer Revision unterziehen. Überdies können Personen, die in der Vergangenheit nur knapp keine IV-Rente zugesprochen erhielten, sich unter Berufung auf die neue Verordnungsbestimmung erneut bei der Invalidenversicherung anmelden (Revisionsgrund). Dabei ist glaubhaft zu machen, dass die Berechnung des Invaliditätsgrades durch die Anwendung des Pauschalabzugs neu zu einem Rentenanspruch führen kann. Wurde bei der vorherigen Invaliditätsbemessung bereits ein leidensbedingter Abzug gewährt, so wird dieser bei der erneuten Prüfung nicht berücksichtigt. Wird durch die Anrechnung des Pauschalabzuges neu ein Invaliditätsgrad von mindestens 40 Prozent erreicht, muss die Neuanmeldung geprüft werden.

Im Lichte der vorstehenden baselstädtischen Rechtsprechung, die nun beim Bundesgericht zur Beurteilung liegt, müssen aber auch die bisherigen Abzugsfaktoren weiterhin berücksichtigt werden. Denn mit dem neuen Pauschalabzug wird lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass die Erwerbsmöglichkeiten invaliditätsbedingt vermindert sind. Dass sich aber auch andere Faktoren auf die Lohnhöhe auswirken und bei der Ermittlung des Invalideneinkommens berücksichtigt werden müssen, ergibt sich aus mehr als zwanzigjähriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung.

Text: Aurelia Jenny
Bild: Adobe Stock
Datum: 01.01.2024

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