Text: RA Aurelia Jenny, RA Markus Loher, RA Nathalie Tuor
Bild: Adobe Stock
Datum: 06.01.2025
Die Bemessung des Invaliditätsgrades bei im Haushalt tätigen Personen durch die Invalidenversicherung (IV) gleicht nicht selten einer Blackbox. Während für Erwerbstätige der Invaliditätsgrad durch einen Einkommensvergleich bestimmt wird und damit – bis zu einem gewissen Grad – Transparenz gewahrt ist, wird für Nicht- und Teilerwerbstätige die Methode des Betätigungsvergleichs herangezogen. Dieser Blog-Beitrag bietet eine grobe Übersicht zu kritischen Punkten bei der Invaliditätsbemessung im Haushalt. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Thematik wird Ende März im Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 2025 erscheinen.
Nichterwerbstätige Personen, die im Haushalt tätig sind, haben keinen direkten Einkommensverlust durch ihre Invalidität. Stattdessen wird bei der IV ihre Einschränkung im bisherigen Aufgabenbereich bewertet. Dabei kommt die Methode des Betätigungsvergleichs zur Anwendung. Eine umfassende Abklärung im Haushalt der versicherten Person ist oft die einzige Abklärungsmassnahme der IV. Diese Abklärung umfasst die Erhebung der funktionellen Einschränkungen im Haushaltsbereich und die Bewertung der Schadenminderungspflicht sowie der Unterstützungsmöglichkeiten durch Familienangehörige. Das Bundesgericht betrachtet diese fachlich qualifizierte Haushaltsabklärung als ausreichend, um den Invaliditätsgrad zu bestimmen (BGer, 21.4.2020, 8C_185/2020, E. 4.2.2; BGer, 28.5.20214, 8C_817/2013, E. 5.1).
Eine wesentliche Rolle bei der nach dieser Methode durchgeführten Invaliditätsbemessung spielt die Schadenminderungspflicht. Diese besagt, dass die versicherte Person und ihre Familienmitglieder alles Zumutbare unternehmen müssen, um die Einschränkungen im Haushalt so gering wie möglich zu halten. Die Mithilfe durch Familienangehörige geht dabei über das übliche Mass hinaus, was jedoch in der Realität nicht immer umsetzbar ist.
Die Bemessung der Invalidität im Haushalt nach der Methode des Betätigungsvergleichs ist aus mehreren Gründen zu kritisieren. Dabei ist zunächst auf die Ungleichbehandlung von Erwerbstätigen und im Haushalt tätigen Personen hinzuweisen. Beim Einkommensvergleich der Erwerbstätigen bestehen Korrekturmöglichkeiten zugunsten der versicherten Personen durch den leidensbedingten Abzug. Dagegen wirkt sich die Schadenminderungspflicht der im Haushalt tätigen Personen und deren Familienangehörigen immer zum Nachteil der Versicherten aus und führt zu einem tieferen Invaliditätsgrad.
Zu kritisieren ist zudem die ungenaue Bestimmung des Arbeitsaufwandes im Haushalt. Die prozentuale Gewichtung der einzelnen Haushaltsbereiche gibt keinen genauen Aufschluss über den tatsächlichen zeitlichen Aufwand, den eine Person für die einzelnen Haushaltsaufgaben aufwenden muss. Hier könnten die SAKE-Tabellen hilfreich sein, da sie Anhaltspunkte über den Zeitaufwand in verschiedenen Haushaltsgrössen geben. Es wäre deshalb naheliegend, den Aufwand im Haushalt nach den SAKE-Tabellen zu bestimmen, um das zeitliche Ausmass der zumutbaren Schadenminderungspflicht durch Familienangehörige zu plausibilisieren.
Bei der Haushaltsabklärung kommt es schliesslich zu einer fragwürdigen Vermischung von Sachverhalts- und Rechtsfragen. Die Abklärungspersonen beantworten sowohl Sach- als auch Rechtsfragen, wenn sie sich bspw. zum Umfang der Schadenminderungspflicht äussern. Dies führt zu einer Vermischung von Sachverhaltsfeststellungen und rechtlichen Wertungen.
Während bei der Bemessung der Invalidität von Erwerbstätigen medizinische Gutachten eine zentrale Rolle spielen, fehlen diese bei der Abklärung im Haushalt meist. Eine ärztliche Einschätzung der funktionellen Beeinträchtigungen wäre jedoch auch hier notwendig, um eine handfeste Grundlage für die Bestimmung der Schadenminderungspflicht zu gewährleisten. Dies würde auch zu einer klaren Trennung von Sach- und Rechtsfragen beitragen.
Die vorstehende Kritik zeigt, dass die aktuelle Praxis nicht zufriedenstellend ist. Der Bericht zur Haushaltsabklärung basiert auf abstrakten Annahmen und die Korrekturinstrumente (Schadenminderungspflicht) wirken sich lediglich zu Ungunsten der Versicherten aus. Die Bemessung der Invalidität bei im Haushalt tätigen Personen erfordert eine klare Methodik und Transparenz. Eine strikte Trennung von Sachverhalts- und Rechtsfragen sowie ein Einbezug medizinischer Gutachten oder der SAKE-Tabellen könnten dazu beitragen, die Verfahrensfairness zu gewährleisten und die Gleichbehandlung aller Versicherten zu fördern. Es bedarf einer standardisierten Methode, um die Ergebnisse der Abklärung überprüfbar und nachvollziehbar zu machen.
Text: RA Aurelia Jenny, RA Markus Loher, RA Nathalie Tuor
Bild: Adobe Stock
Datum: 06.01.2025
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